Wie bereits viele bemerkt haben, war es in letzter Zeit sehr still auf unserem Blog. Ursächlich dafür sind die Erfahrungen hinsichtlich Indien, die wir zuerst selbst verarbeiten mussten. Es ist uns, und insbesondere mir, als weibliche Reisende sehr wichtig euch auch über die Schattenseiten Indiens zu informieren, so wie ich sie erlebt habe. Geplant hatten wir für die Indientour 30 Tage, geworden sind es leidvolle 5. Aber alles der Reihe nach.
In New Delhi gelandet wurden wir von einer drückenden, schwülen Hitze bei rund 47 Grad, viel Smog, Gestank und Müll überrascht. Für uns, wo wir doch schon einige Destinationen hinter uns hatten, doch völlig neue Eindrücke. Hinzu kam, dass wir nahezu ausschließlich Männer wahrnehmen konnten. Dabei war für mich besonders unangenehm, dass sie mich alle anstarrten, als ob ich von einem anderen Stern währe.
Mit diesen Eindrücken suchten wir unseren Unterkunft Geber „Ajit“ auf, der uns nach einer mehrtägigen Sightseeingtour noch seine Heimatstadt zeigen wollte. Für uns war das eine super Gelegenheit, denn wir waren viel mehr an Kultur, Land und Leute, als an den typischen Touristen Attraktionen interessiert. Und so fuhren wir mit ihm 2 Stunden in eine Kleinstadt außerhalb von Neu Delhi. Während der Fahrt einigten Markus und ich mich darauf, dass wir den Indienaufenthalt auf 7 Tage verkürzen. Ausschlaggebend war, dass wir uns in diesem Land nicht wohl fühlten. Ich wurde, trotz hochgeschlossener Kleidung, ständig von Männern anzüglich angestarrt und stückweise auch ungewollt begleitet. Die Anwesenheit von Markus hinderte sie überhaupt nicht daran.
Nach der Ankunft ging es mit einem kleinen Tuktuk weiter zu seinem Elternhaus. Während der Fahrt winkten uns einige Leute, vorzugsweise Männer, auffallend freundlich zu und machten auch Fotos. Von seinen Eltern wurden wir herzlich empfangen und bekamen ein Zimmer.
Um auch etwas über Feierlichkeiten in Indien zu erfahren, schlugen Ajit und seine Mutter uns vor, am Abend noch gemeinsam ein Fest zu besuchen.
Erst hatten wir große bedenken, doch als er erklärte, dass er hier aufgewachsen ist, wir keine Angst haben müssen und sogar seine Mutter uns begleitet, entschieden wir uns mit zu gehen. Also stiegen wir ins nächste Taxi und fuhren 10 Minuten bis direkt zur „Kilbi“. Dort ausgestiegen waren wir, besonders ich als westlich aber hochgeschlossen gekleidete Frau für einige die Attraktion schlechthin. Seine Mutter wählte den Weg durch die Leute immer so, dass wir relativ viel Freiraum hatten und uns recht zügig durch die Menge bewegen konnten.
Nach wenigen Minuten merkte ich, dass sie nach jeder männlichen Person, die an mir vorbei ging zu mir nach hinten blickte. Anschließend, wurde mir von Sekunde zu Sekunde unwohler. Mir wurde klar, dass ich scheinbar doch nicht so sicher bin, wie zuvor angekündigt. Ich bat Markus hinter mir zu laufen und plante im Hinterkopf schon die schnellstmögliche Heimfahrt. Dies war auch der Grund, warum ich erst nach Ajits Aufforderung Fotos zu knipsen, wenigstens eines machte, dabei hörte ich allerdings nie auf weiter zu laufen.
Es half nichts. Innerhalb von Sekunden waren wir von sehr vielen Männern umringt. Ajit, der neben mir lief nahm mich in den Arm und versuchte mich aus der Masse zu befreien, doch leider gab es keinen Ausweg mehr. Geschätzte 50 – 60 Männer drängten Markus, Ajit und auch seine Mutter weg von mir. Sie hatten keine Chance gegen die vielen Leute an zu kommen. Jeder einzelne versuchte mich im Intimbereich anzufassen, worauf ich gute 30 Hände gleichzeitig an meinem Körper spürte. Es war so ein unheimlich starker Andrang, dass ich gegen einen Laternenmast und anschließend auf den Boden geschleudert wurde. Kurz darauf schaffte es seine Mutter mit viel Glück mich aus der Masse zu befreien und an den Rand zu ziehen. Ein Teil meiner Unterwäsche befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits schon nicht mehr dort, wo sie sein sollte.
Zu dritt bildeten sie einen Schutzkreis um mich und wollten gerade die Polizei rufen, weil sich hinter uns schon die nächste Gruppe sammelte. In diesem Moment sahen wir 3 Polizisten auf uns zukommen. Sie boten weder Hilfe an, noch versuchten sie die Situation zu entschärfen, sondern starrten uns lediglich, wie alle anderen Männer, an. Unsere Hilflosigkeit übergingen sie einfach und gaben sich teilnahmslos.
Verfolgt von kleineren Gruppen von Männern versuchten wir weg zu laufen. Irgendwie schien es keinen Ausweg zu geben, bis zu unserem Glück ein freies Taxi um die Ecke kam und uns weg brachte.
Verfolgt von 2 Männern auf einem Moped fuhren wir in die Nähe unserer Unterkunft. Das letzte Stück liefen wir um unseren Wohnsitz nicht zu verraten. In der Gasse war alles dunkel und eine Totenstille machte sich breit. Für uns war es das Wichtigste schnellstmöglich und sicher im Haus anzukommen. Bevor wir ins Zimmer gingen entschuldigte sich die ganze Familie noch 1000 Mal für das geschehene, doch ich wollte einfach nur noch aufs Zimmer, um sämtliche Prellungen, Schürfwunden und Blutergüsse so gut es ging zu verarzten. Diese hatte ich an Stellen, an der eine Frau solche Verletzungen nicht haben sollte. Im Zimmer angelangt konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten.
Nach circa 10 Minuten hörten wir ein lautstarkes Geschrei von geschätzten 15 Männern vor dem Haus. Bei der Nachschau bemerkte Markus, dass die Eltern von Ajit ein Streitgespräch mit den Männern führten. Da er den Eindruck hatte, dass die Sache eskalieren könnte, begann er sofort das Zimmer zu verbarrikadieren. In diesen ca. 15 min. hatte ich Angst um mein Leben. Die Vorstellung, dass Ajits Eltern überwältigt werden, die Haustüre aufgeht und dutzende Männer über mich herfallen versetzte mich in Todesangst. Im so verbarrikadierten Zimmer harrten wir die ganze Nacht aus. Ich weinte und zitterte und dachte ständig daran, wie ich dieses Land auf dem schnellsten Weg verlassen kann um in Sicherheit zu kommen. Die Polizei zu rufen machte nach der vorherigen Begegnung in unseren Augen keinen Sinn.
Aus Minuten wurden Stunden und Stunden zu einer Ewigkeit. Als es endlich zu dämmern begann organisierte uns Ajit ein sicheres Taxi direkt zum Flughafen. Dort angelangt standen wir vor der Entscheidung, ob wir nun nachhause fliegen, oder unsere Reise fortsetzen.
Auf der einen Seite wollte ich nur nach Hause, wo ich mich in Sicherheit wiegen kann. Auf der anderen Seite wollte ich meine Reise nicht auf DIESE Art beenden. Nach langem Hin und Her machte Markus den Vorschlag, nach Bangkok zu fliegen und für die ersten 5 Nächte ein sehr gutes und sicheres Hotel zu buchen.
Zuvor stand aber noch eine letzte Sache auf der Tagesordnung. Die Aussage bei der Österreichischen Botschaft in Neu Delhi. Es schien für uns die momentan einzige Maßnahme für eine bessere Zukunft in diesem Land. Wenn niemand diese Übergriffe meldet, sie einfach hinnimmt und sich dafür schämt, ändert sich nie etwas.
Das Hotel war ideal um auszuspannen und einen klaren Kopf zu bekommen. Zumindest ging das anfangs sehr gut, denn wir hielten uns nur im Hotel und dem Massagestudio nebenan auf. Nach dem 4. Tag konnte ich die Planung der Weiterreise nicht mehr so einfach vor mich hin schieben. Ich merkte schnell, dass ich mich nicht in der Verfassung fühlte mit diesem Gefühl von Unsicherheit weiter zu reisen. Und so flogen wir für einige Tage nach Hause.
Natürlich muss ich niemandem erklären, warum ich in Indien nicht auch noch zu einem Arzt gehen wollte und in Bangkok war es wiederum ein männlicher Arzt, der Markus schon am Telefon aufgrund der Sprachbarriere zur Weißglut brachte. Nach Rücksprache mit der Reisekrankenversicherung und der guten Reiseapotheke entschieden wir uns eine Ärztin in Österreich aufzusuchen.
Versteht uns bitte nicht falsch. Wir sind schon in vielen Armen und teils auch gefährlichen Ländern unterwegs gewesen. Vor jeder Einreise suchen und fragen wir nach Tipps für einen sicheren Aufenthalt. Uns war immer klar, wie es in Indien um die Frauen steht, worauf wir sehr viel Wert auf Sicherheitsmaßnahmen gelegt haben. Natürlich waren wir immer dem Land entsprechend gekleidet und ich als Frau war speziell in Indien nie freizügig unterwegs.
Das Schlimmste was wir uns vorgestellt hatten, war ein Überfall von 2 -3 Leuten in einer dunklen Seitenstraße, vielleicht sogar im Bus, aber nicht solche sexistischen Übergriffe auf einem öffentlichen Fest unter den Augen der anwesenden Polizei.
Uns Fehler vorwerfen kann ich nicht. Vieleicht nur, dass wir uns durch die einheimische Familie geschützt fühlten und ihnen dadurch zu viel Vertrauen geschenkt haben.
Für mich persönlich ist es wichtig diesen Beitrag auf unserem Blog zu veröffentlichen, damit zukünftige Touristen, die sich nicht nur in geführten Touristenströmen durch das Land führen lassen, auch über ein anderes, wenig schmeichelhaftes Indien Bescheid wissen.
Derartige Erfahrungen werden selten auf Reiseblogs veröffentlicht, doch ich finde es ganz besonders wichtig, wenn Betroffene das erlebte direkt schildern.
Gegenwärtig verspüre ich einen starken Bezug zu den Frauen in Indien. Ich konnte fliehen, doch die Indischen Frauen erleben solche oder auch schwerwiegendere Übergriffe tag täglich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es einer Frau geht, die vergewaltigt wurde, denn ich habe heute noch Spuren am Körper und wurde durch diesen Vorfall geprägt. Ich bin dankbar dass ich in einem so Sicheren Land wie Österreich lebe und bin froh, dass ich mich als Frau frei bewegen und ohne Angst durch die Straßen gehen kann.
Ich kann von GLÜCK sprechen, dass mir nicht „mehr“ passiert ist!